Was bedeutet „Achtsamkeit“?
Der Begriff „Achtsamkeit“ ist im säkularen, wie auch im kirchlichen Kontext vielfältig besetzt. Was verstehen wir also im Zusammenhang des Umgangs mit sexualisierter Gewalt damit?
Die ELKB ist als Kirche eine Organisation, unter deren Dach Menschen zusammenarbeiten und Angebote entwickeln. Sie ist ein wichtiges Sozialisationsfeld für Kinder und Jugendliche und ein Ort für Menschen, die dazugehören, sich engagieren und ihren Glauben teilen wollen. Sie soll ein möglichst sicherer Ort für alle sein. An einem Ort, wie der Kirche, wo verschiedene Menschen mit ihren je eigenen Bedürfnissen und biographischen Erfahrungen zusammenkommen, ist es wichtig, achtsam miteinander umzugehen. Wenn dennoch Krisen eintreten, können diese schnell und flexibel bearbeitet werden.
Was bedeutet „Kultur“?
Um einen umfassenden Schutz für die Menschen, für die die Kirche Verantwortung trägt, zu sichern und zu gewährleisten, ist der Blick auf die herrschende Kultur zu lenken. Die Organisationskultur kann als etwas verstanden werden, das von allen beteiligten Akteur*innen der Kirche (hier: Gemeinde- und Dekanatsbezirk) gemeinsam in ihren alltäglichen Interaktionen und Handeln hergestellt wird. Sie ist nichts Fixes, sondern verändert sich ständig, ist also dynamisch und prozesshaft. Sie drückt sich aus in Wertvorstellungen, Normen und Wahrnehmungen, die die Akteur:innen grundsätzlich miteinander teilen. Als Teil der Prävention sexualisierter Gewalt wollen wir uns als ELKB auf den Weg hin zu einer Kultur der Achtsamkeit machen.
Merkmale einer Kultur der Achtsamkeit
Die Kultur der Achtsamkeit kennzeichnet sich durch sechs Merkmale:
- Fehlerkultur
Nicht nur das individuelle Fehlverhalten einzelner Personen wird in den Blick genommen, sondern vor allem die Organisation/Einrichtung als Ganzes. Hier geht es darum, Verständnis für Fehler zu entwickeln und ein offenes Klima im Umgang mit diesen zu schaffen. Dies beinhaltet auch eine offene und wertschätzende Aufarbeitung von Fehlern.
- Beteiligungskultur
Zur Beteiligungskultur gehören gelebte Partizipationsmöglichkeiten der verschiedenen Zielgruppen, damit die uns vertrauenden Menschen selbst als aktive Gestalter*innen auftreten und agieren können.
- Sensibilität für organisationale Abläufe
Alle Beteiligten sollen ihre Organisation/Einrichtung gut kennen. Dies erfordert in der Komplexität der kirchlichen Strukturen eine Herstellung von Transparenz nach innen und außen, insbesondere im Aufbau von Hierarchie, Kommunikationsstrukturen und Räumlichkeiten.
- Vermeidung von vereinfachenden Erklärungen
Das schließt eine erhöhte Aufmerksamkeit mit ein, nicht stur der arbeitsalltäglichen Routine zu folgen, sondern diese immer wieder kritisch zu hinterfragen und neu zu bewerten. In einer eingelebten Kultur der Achtsamkeit wird dies als willkommen wahrgenommen und als Bereicherung erlebt. Konkret bedeutet dies u.a. das Vermeiden von Klischees und Schubladendenken, sowie die Vermeidung von Verallgemeinerungen.
- Wahrung der höchstpersönlichen Rechte
Die höchstpersönlichen Rechte von Kindern, Jugendlichen, Menschen, die uns vertrauen, und Mitarbeitenden müssen geschützt, gesichert und stets gewahrt werden. Gleichzeitig müssen diese Rechte auch vermittelt werden, damit sie allen bekannt sind. Eine große Rolle spielt die Wahrung der individuellen Grenzen und Bedürfnisse.
- Sicherung von Voice-, Choice- und Exit-Optionen
Gerade angesichts der strukturell bedingten Machtasymmetrie der Kirche ist es unabdingbar, dass Angebote jeweils eine Voice-, Choice- und Exit-Option beinhalten. Alle Teilnehmenden haben das Recht, ihre Stimme zu erheben (Voice). Sie haben die Wahl, ob sie sich in dieser Situation befinden wollen (Choice) und sie haben die Möglichkeit, aus der Situation auszusteigen (Exit).
Wo eine oder gar mehrere der Optionen nicht gegeben sind (z.B. aufgrund einer Anwesenheitspflicht), ist umso mehr auf eine Atmosphäre zu achten, die es den Menschen ermöglicht, ihre Stimme zu erheben.